Am Thema vorbei

Gerade habe ich die Podiumsdiskussion „Journalismus im Netz“ im Rahmen des KörberForums Kehrwieder 12 online mitverfolgt. Wie eine Zuhörerin in der Fragerunde in der zweiten Stunde der Veranstaltung richtig bemerkte: Bei der Diskussion ging es kaum um das Thema Onlinejournalismus, sondern hauptsächlich darum, wie er den Printjournalismus verändert.

Nach dieser Kritik aus dem Publikum ging es dann ein wenig um Social Media – wie sie den Dialog verändern, wie sie Journalisten als Recherchequelle dienen und wie sie das Verhältnis Sender-Empfänger umgekrempelt haben. Das Bild von der Kommunikationsrevolution wurde bemüht.

Es wäre spannend gewesen, bei einer Diskussion über „Journalismus im Netz“ etwas über neue, tatsächlich gut funktionierende (soll heißen rentable) journalistische Geschäftsmodelle im Onlinebereich zu erfahren. Und auch die technischen wie erzählerischen Qualifikationen, die Online-Journalisten brauchen, hätten auf dem Podium Platz finden sollen. Erwähnt wurde aber nur, dass Journalisten die Fähigkeit und Bereitschaft mitbringen müssen, auf den Dialog mit Lesern einzugehen, der sich online ja viel schneller entwickle. 

Nun denn, es blieb also größtenteils beim Gespräch über das Verhältnis von Print und Online. Hier zwei der für mich interessantesten Zitate des Abends:

„Alle großen Kommunikationsinnovationen der vergangenen Jahre – Wikipedia, craigslist und Facebook, um nur einige zu nennen – sind jenseits der großen Medienkonzerne entstanden. Das zeigt: Die Innovationsbereitschaft und die Bereitschaft, sich selbst in Frage zu stellen, war bisher bei Printprodukten – ich sag es mal – überschaubar. Das ändert sich gerade und es ist auch höchste Zeit.“ Dominik Wichmann

„Dass viele Exklusivnachrichten immer noch aus den Printmedien kommen, hat auch ökonomische Gründe. Printredaktionen können ihre Journalisten rausschicken und vor Ort lange recherchieren lassen. Dafür fehlen Onlinemedien oft noch die Ressourcen.“ Nikolaus Röttger

Das Podium: Wolfgang Kracht (stellvertretender Chefredakteur SZ), Dominik Wichmann (Stern), Nikolaus Röttger (Business Punk), Frida Thurm (Schülerin der Henri-Nannen-Schule) und Henrike Maier (Europe & Me)

Noch ist der Livestream nicht zum Abruf bereitgestellt. Passiert aber bestimmt noch - hier:

http://www.koerber-stiftung.de/koerberforum/programm/videos-livestream.html 

Geld verdienen im Netz - ein Einstieg

Kollegen, die einen guten Einstieg in das Thema Onlinejournalismus suchen und noch keinen gefunden haben, empfehle ich die (vierteilige) Präsentation "Geld verdienen im Netz" von Medienjournalistin Ulrike Langer. In nachvollziehbaren Schritten macht sie klar, dass Aussitzen die falsche Strategie ist, wenn man als Freier überleben will. 

Ihr Fazit schonmal vorab: Freie Journalisten müssen unternehmerischer denken. Dazu gehört es laut Langer, Präsenz im Netz zu zeigen und dort zu einer eigenen Marke zu werden. Hier bleibt sie nicht abstrakt, sondern gibt konkrete Tipps, wie Journalisten das am besten anstellen. Welche das sind? Siehe:

http://www.slideshare.net/mauisurfer/geld-verdienen-im-netz-teil-1

http://www.slideshare.net/mauisurfer/geld-verdienen-im-netz-teil-2

http://www.slideshare.net/mauisurfer/geld-verdienen-im-netz-teil-3

http://www.slideshare.net/mauisurfer/geld-verdienen-im-netz-teil-4

Auf der Leseliste

Eine Bachelorarbeit zum Thema Crowdfunding im Journalismus steht ganz oben auf meiner Leseliste. Nachdem ich mich vor kurzem schlau gemacht habe, welche Perspektiven sich daraus für die Wissenschaft ergeben (siehe Post vom 21.3.), bin ich gespannt zu verfolgen, was sich auf diesem Gebiet für den Journalismus entwickeln wird.

Wer die Arbeit von Linda Wehly auch lesen möchte, findet hier das PDF:

http://mediafunders.net/projekt/wp-content/uploads/2012/03/Bachelorarbeit_Lin...

Näher ran an die Leser

"Help shape the Guardian's news coverage by talking to our editors and reporters about upcoming stories as we work on them." So lautet die Essenz eines Experiments, auf das sich die britische Tageszeitung The Guardian im vergangenen Oktober eingelassen hat. 

Worum geht es genau? In Kürze: Der Guardian hat sein Newsdesk für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Nachrichtenredakteure stellen die Themen, an denen sie gerade arbeiten, online und aktualisieren die Tabelle kontinuierlich. Wohl gemerkt: Die Redaktion lässt sich in die Karten gucken, bevor die Storys rausgehen. Das finde ich ziemlich spektakulär.

Leser, die etwas anmerken wollen, können das per Tweet an den zuständigen Redakteur (unter dem Hashtag #opennews) oder via E-Mail tun. "You can tell us what you think of individual stories and suggest lines of inquiry", werben die Redakteure für die Idee. Superdupergeheime Storys bleiben allerdings mit Blick in Richtung Konkurrenz unter Verschluss. Verständlich. 

Was bringt das Ganze? Der Twitterstream unter #opennews gibt meiner Meinung nach nicht viel Informatives für die Guardian-Journalisten her. Dieser Meinung scheinen sie auch selbst gewesen, denn die Strategie wurde im Januar erweitert. Um die Kommunikation mit den Lesern besser zu gestalten, gibt es seitdem "Newsdesk Live", einen Blog, der die Inhalte der Redaktionskonferenz live zusammenfasst. Der Appell an die Leser wurde leicht umformuliert: "Each day on the Newsdesk live blog, the Guardian's national news team will bring you the news as we break it, explain how we choose what we report and why – and ask you to get involved. Send us your ideas, evidence and experiences to help shape our coverage."

Die Blogeinträge fielen zu Beginn äußerst ausführlich aus, ist mittlerweile aber stark eingedampft worden. Vielleicht waren die Kommentare der Leser nicht ergiebig genug, um diesen Aufwand zu rechtfertigen. Einige Leser haben sich auch darüber beschwert, dass das Feedback der Redaktion auf ihre Kommentare ausblieb. So ganz rund läuft die Sache also nicht. Trotzdem: Die Idee ist innovativ und verdient es, weiter beobachtet zu werden.

http://www.guardian.co.uk/news/series/newsdesk-live

 

Folgen statt anführen

Eine wahre Informationsflut erwartet die Leser der heute veröffentlichten Studie "The State of the News Media 2012", die alljährlich die Entwicklungen auf dem US-Medienmarkt analysiert. 

Gleich zu Beginn heißt es: Dank mobiler Geräte wie Smartphones und Tablets werden mehr Nachrichten konsumiert. Eigentlich eine gute Nachricht für Medienunternehmen. Betonung auf "eigentlich". Die Autoren der Studie stellen nämlich im nächsten Atemzug fest: "A year ago, we wrote here: “The news industry, late to adapt and culturally more tied to content creation than engineering, finds itself more a follower than leader shaping its business.” In 2012, that phenomenon has grown." 

Die Folge der mangelnden Innovationskraft: "Technology giants" wie Google, Amazon, Apple und Facebook nähmen den traditionellen Medienproduzenten die Butter vom Brot. Nur in wenigen Fällen würden Zeitungen oder Rundfunkanstalten neue Ansätze in der Nachrichtenvermarktung wagen. Beispiele seien der Boston Globe oder die Financial Times, die sich aus dem von Apple und Google dominierten App-Universum gelöst und eigene mobile Anwendungen entwickelt hätten.  

Das Fazit der Studie lautet deshalb: "In sum, the news industry is not much closer to a new revenue model than a year earlier and has lost more ground to rivals in the technology industry. But growing evidence also suggests that news is becoming a more important and pervasive part of people’s lives. That, in the end, could prove a saving factor for the future of journalism."

Neben dem Status quo arbeitet das Pew Research Center auch jedes Jahr Zukunftstrends für die Branche heraus. Die Mitarbeiter erwarten unter anderem Folgendes: "Mobile may be leading to a deeper experience with news than on the desktop/laptop computer." User würden mit den neuen Geräten mehr in das Konsumieren von Nachrichten eintauchen. Eine weitere Beobachtung lautet: "Social media are important but not overwhelming drivers of news, at least not yet." Nur jeder zehnte Konsument von digitalen Nachrichten werde über Facebook- oder Twitter-Empfehlungen auf Nachrichten aufmerksam. Die meisten Konsumenten suchten die Inhalte selbst aus, entweder direkt auf den Websites von Zeitungen und anderen Newsanbietern oder mit deren mobilen Anwendungen. 

Der Bericht "State of the News Media" wird jährlich vom Pew Research Center im Rahmen des "Project for Excellence in Journalism" herausgegeben. Ziel des Projekts ist es nach eigener Aussage, die "information revolution" zu erforschen und sowohl Journalisten als auch Konsumenten dabei zu helfen, den Wandel der Medien zu verstehen.

Hier geht's zur Website der Studie: http://stateofthemedia.org

Neugierig auf den Wandel

Christian Lindner, Chefredakteur der Rhein-Zeitung, ist bekennender Twitter-Nutzer. Von vielen Printkollegen wird er deswegen "mitleidig" angeschaut, erzählt er in einem Interview mit detektor.fm, das ich hier wärmstens empfehlen möchte. Ob er denn so viel Zeit übrig hätte?!

Was die Herren und Damen Kollegen, die diese Frage stellen, meiner Meinung nach nicht kapiert haben: Den eigentlichen Durchblick hat Lindner. Warum sollte man ihn dafür belächeln, dass er sich neugierig mit dem Wandel seiner Branche beschäftigt? Er sammelt wichtige Erfahrungen, die er als Blattmacher braucht. Und er zieht, wie ich finde, valide Schlüsse darüber, was eine Zeitung - in seinem Fall eine Regionalzeitung - heutzutage leisten und bieten muss. 

Lindner plädiert dafür, guten und vor allen Dingen eigenen (!) redaktionellen Content zu generieren. Den würden Leser dann auch als digitalen Bezahlinhalt konsumieren. Die Road to Nowhere sieht für ihn hingegen so aus: "dpa-Inhalte auf ein iPad zu spielen und das dann verkaufen zu wollen, kann und wird nicht funktionieren." 

Bezeichnend finde ich übrigens, dass Lindner im Interview nicht von einer Krise der Verlage spricht, sondern von einer Testphase. 

Noch ein Gedanke zum Schluss: Qualitativ hochwertige Inhalte erfordern sorgfältige journalistische Arbeit. Sie sollte entsprechend entlohnt werden - Stichwort Tarifverhandlungen für Tageszeitungen. Danke deshalb an Interviewer Christian Bollert für die Frage nach den Gehältern, die die Rhein-Zeitung ihren Redakteuren zahlt.

Dieser Pfad führt zum Podcast des Interviews. Gehen Sie ihn!

http://bit.ly/jTA6XQ