Unlängst: Wegweiser in Richtung Uni

Kinder aus Familien ohne akademischen Hintergrund nehmen seltener ein Studium auf als Gleichaltrige. Die beiden Zahnmedizinstudenten Felix Herbertz und Denys Kucher haben es trotzdem an die Uni geschafft. Auf ihrem Weg ins Studium hat sie das Förderprogramm „Studienkompass“ begleitet.

Denys Kucher wurde 1993 in der Ukraine geboren. Als Zehnjähriger kam er mit Mutter und Oma nach Deutschland. „Wir wohnten in den ersten eineinhalb Jahren in Asylbewerberheimen in Nürnberg und Regensburg. Danach zogen wir in eine eigene Wohnung in Regensburg“, erinnert sich der heute 20-Jährige.

Deutsch konnte er nach seiner Ankunft kaum, lernte es aber in der Grundschule ziemlich schnell. Er kam zunächst in eine Übergangsklasse, in der er sich für eine normale Grundschulklasse qualifizieren musste. „Ich startete in der zweiten Klasse, habe dann aber die dritte übersprungen, weil ich schon sehr gut rechnen konnte“, erzählt er.

"Ich wollte es auf’s Gymnasium schaffen"

„In der vierten Klasse stellte sich die Deutschbarriere dann aber als zu groß heraus, so dass ich freiwillig wiederholt habe. Ich wollte es auf’s Gymnasium schaffen.“ Das Extrajahr zahlte sich aus. Er kam in die fünfte Klasse des Werner-von-Siemens-Gymnasiums in Regensburg.

Dort erfuhr Kucher in der neunten Klasse vom Studienkompass, einem Förderprogramm für Schüler, deren Eltern nicht studiert haben: „Das war im Chemieunterricht. Während der Stunde kamen zwei Abiturienten rein und haben uns das Programm vorgestellt. Mein Lehrer ist danach zu mir gekommen und hat gesagt, das wäre doch etwas für mich.“ Der Neuntklässler bewarb sich und wurde aufgenommen.

Einer von 2.600

Damit ist der Regensburger, der seit dem Wintersemester 2013/14 in München Zahnmedizin studiert, einer von insgesamt 2.600 jungen Menschen, die seit der Gründung des Studienkompass’ im Jahr 2007 gefördert wurden.

„Gestartet sind wir mit 175 Schülern in fünf Städten: Hamburg, Köln, Frankfurt am Main, Erfurt und Frankfurt an der Oder. Mittlerweile haben wir Regionalgruppen in 30 Städten“, sagt Programmleiter Dr. Ulrich Hinz von der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, die neben der Accenture-Stiftung und der Deutsche Bank Stiftung zu den Gründungsmitgliedern des Programms gehört.

Der Studienkompass verfolgt vor allem zwei Ziele: Zum einen sollen Schüler, die zwar das Zeug zum Studieren haben, aber von ihrem Umfeld keinen entsprechenden Impuls bekommen, durch das Programm motiviert werden, an die Uni zu gehen. Zum anderen geht es darum, die Teilnehmer bei der Wahl des richtigen Fachs zu unterstützen.

„Für Schüler ist es einfach schwierig, sich für so etwas Abstraktes wie das richtige Studium zu entscheiden“, fügt er hinzu. „Der Studienkompass hilft den Jugendlichen deshalb mit Workshops und Trainings dabei, ihre Stärken zu erkennen und darüber nachzudenken, was beruflich eventuell zu ihnen passen könnte“, fasst Hinz zusammen.

"Ich bin sehr gut informiert in mein Zahnmedizinstudium gegangen."

Für Felix Herbertz aus der Regionalgruppe Oberbergischer Kreis war dieser Aspekt der Förderung am wichtigsten. „Der Studienkompass hat mir sehr bei der Entscheidung für das Zahnmedizinstudium geholfen“, sagt der 19-Jährige, der im Sommer von einem freiwilligen Friedensdienst in London zurückgekehrt ist und seit dem Wintersemester 2014/15 Zahnmedizin in Hamburg studiert.

Die Entscheidung für einen Beruf braucht Zeit zum Reifen, das wissen die Organisatoren des Studienkompass’. Damit die Schüler in Ruhe ihre Interessen ausloten können, beginnt das Förderprogramm zwei Jahre vor dem Abitur. In zentral organisierten Workshops und bei den regelmäßigen Treffen in den Regionalgruppen denken die Teilnehmer gemeinsam über ihre berufliche Zukunft nach. Und sie sammeln Erfahrungen.

„Wir motivieren die Jugendlichen, in ihren Regionen selbstständig Veranstaltungen zu organisieren. Sie können zum Beispiel Hochschulen oder Betriebe besuchen, um sich Studiengänge oder Berufe aus der Nähe anzuschauen“, erklärt Ulrich Hinz.

Rückblickend ist Denys Kucher für diese Möglichkeit sehr dankbar: „Ich bin sehr gut informiert in mein Zahnmedizinstudium gegangen. Gewusst zu haben, was auf mich zukommt, hat viele Ängste abgebaut.“

Genauso große Chance auf ein Studium wie Kinder aus Akademikerfamilien

Besonderen Wert legt der Studienkompass darauf, über die Finanzierung eines Studiums aufzuklären. Denn: Viele Abiturienten ziehen eine Hochschulausbildung nicht in Betracht, weil sie fürchten, dass sie sich das nicht leisten können. Der Studienkompass geht auf diese Problematik ein und stellt alle Finanzierungsmöglichkeiten von BAföG bis Stipendium vor.

Diese Informationen sind auch für die Eltern der Teilnehmer wichtig, sagt Denys Mutter Alla: „Der Studienkompass hat meinem Sohn und mir die einzelnen Finanzierungsmöglichkeiten sehr ausführlich aufgezeigt. Das hat mir den Großteil meiner Sorgen genommen. Denys bezieht BAföG, das ihm zum Leben in München ausreicht. Zudem kann ich ihn auch bei allem unterstützen“, erklärt die Einzelhandelskauffrau.

Darüber hinaus habe der Studienkompass ihr noch etwas klar gemacht: „Er hat mir gezeigt, dass auch die Kinder von Nichtakademikern eine mindestens genau so große Chance auf ein Studium besitzen wie die Kinder aus Akademikerfamilien.“

Unterstützung, um eine gute Entscheidung für das Leben zu treffen

Mit dem Beginn des Studiums ist die Förderung durch den Studienkompass nicht abgeschlossen. „Ein Studium bedeutet eine große Umstellung für die Abiturienten, die in den meisten Fällen niemanden in ihrer Familie haben, von dessen Erfahrungen sie profitieren können. Damit sie sich gut an der Uni einfinden, begleiten wir sie bis zum Ende des zweiten Semesters und vermitteln ihnen unter anderem Lerntechniken und Methoden zum Selbstmanagement“, erklärt Ulrich Hinz.

Die Kombination aus Motivation, Information und Austausch untereinander funktioniert nach Ansicht des Programmleiters sehr gut. Das bestätige auch eine unabhängige Evaluation des Studienkompass’. Daraus geht hervor, dass mehr als 90 Prozent der Teilnehmer sich bisher dazu entschieden haben, ein Studium anzugehen, entweder unmittelbar im Anschluss an das Abitur oder nach einer Auszeit für beispielsweise ein Freiwilliges Soziales Jahr.

Gegen ein Studium und für eine Ausbildung entscheiden sich circa sieben Prozent der Teilnehmer. Das sei kein Problem, sagt Ulrich Hinz: „Wir drängen niemandem zu einem Studium. Wir wollen die Jugendlichen dabei unterstützen, eine gute Entscheidung für ihr Leben zu treffen. Und wenn jemand mit uns gemeinsam zwei Jahre nachdenkt und dann sagt, ich mache eine Ausbildung, dann ist das eine gute Entscheidung.“

"Sie wurden darin bekräftigt zu studieren, wenn sie das wirklich wollen."

Denys Kucher und Felix Herbertz haben sich für ein Studium entschieden. Sie glauben, dass sie diesen Weg auch ohne die Förderung durch den Studienkompass eingeschlagen hätten. Herbertz weiß aber, dass nicht alle aus seiner Regionalgruppe von Beginn an so fest entschlossen waren wie er: „Es gab auch Teilnehmer, die ohne den Studienkompass nicht studiert hätten. Sie wurden darin bekräftigt zu studieren, wenn sie das wirklich wollen.“


Unlängst erschienen auf zm-online.de

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